Unter Freiburgs Dächern ohne Dach

Ein Projekt des Jubiläums der Stadt Freiburg 2020/21.

Alle reden vom Wohnen …


Alle reden vom Wohnen, niemand redet von denen, die keine Wohnung haben, vielleicht auch keine wollen – den Obdachlosen, den „Randständigen“. 


Das Projekt griff dieses Thema auf. Zugleich wurden Freiburger Hilfsinstitutionen, die für Wohnsitzlose und prekär Lebende zuständig sind, sowie auch betroffene Wohnsitzlose vorgestellt. „Sichtbar machen, was man sonst nicht sieht“, war der konzeptionelle Gedanke.


Eine Gruppe, eine Institution, eine Stadt bewährt sich auch dadurch, wie sie mit Außenseitern, mit sogenannten Randständigen, mit Nicht- oder Schwer-Anpassbaren umgeht. Dazu gehören auch die Wohnsitzlosen und prekär Lebenden, die umso zahlreicher werden, je weiter die Schere zwischen Arm und Reich auseinanderdriftet.


Innerhalb unseres Projekts haben wir versucht (und versuchen wir), uns anzunähern Zugleich wollen wir Freiburger Hilfsinstitutionen, die für Wohnsitzlose und prekär Lebende zuständig sind, vorstellen.


So wurde auch eine Projektseite online gestellt, die die Thematik vertieft, das Projekt näher beschreibt, sowie die Aufführungen und Kooperationen, die dieses Projekt ausgemacht haben, vorstellt. Die Inhalte der Projektseite finden Sie unten.


Es ist erwähnenswert, dass das Jubiläumsjahr in die Zeit der Corona-Pandemie und des Lockdowns gefallen ist – eine ganz besondere Zeit, die die Problematik prekär Lebender verschärft ins Licht der Aufmerksamkeit rückte.


Die Veranstaltungen im Rahmen des Projekts finden Sie in unserem Repertoire, weitere Veranstaltungen waren Kooperationen und speziell zum Thema konzipiert. Einen Einblick in die Veranstaltungen zum Thema finden Sie unten.


Dez. 2019

Wie alles anfing.

Interessiert uns das Leben von Wohnungslosen deshalb so sehr, weil uns bewusst ist, dass das sogenannte Prekariat so fern nicht ist?

TEXTE ZUM PROJEKT

Und bin so dankbar, warm zu haben.

Heute ist der 26. Dezember 2019, der zweite Weihnachtsfeiertag.


Wie haben die Obdachlosen Weihnachten verbracht? Die Heilsarmee hat eine Feier veranstaltet, Jugendliche verteilten Geschenke an Wohnsitzlose, der Freiburger Essenstreff rief dazu auf, aus Plastikflaschen wärmende Jacken für Freiburgs Wohnungslose zu fertigen. So lese ich in der Zeitung und im Netz. Und bin so dankbar, warm zu haben.


Ein Zwischenbericht von Renate Obermaier und Heinzl Spagl

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2020/21

Veranstaltungen

Veranstaltungen im Rahmen des Projektes „Unter Freiburgs Dächern ohne Dach“. Einen Teil der Veranstaltungen haben wir in unsere Repertoire aufgenommen, weitere Veranstaltungen waren Kooperationen und speziell zum Thema konzipiert.


HÖRSPIEL

Das Leben des Vernon Subutex

Von Virginie Despentes
Lesung, Regie: Renate Obermaier, Heinzl Spagl
Soundcollage, Komposition: Thomas Wenk


Gefördert vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.
In Kooperation mit dem
E-Werk Freiburg und dem Centre Culturel Français.

REPERTOIRE

THEATER

Nebensache

Von Jakob Mendel
mit Heinzl Spagl
Regie: Hubertus Fehrenbacher
Fotografie: Renate Obermaier


In Kooperation mit dem Essenstreff/Freiburg

REPERTOIRE

LESUNG

Wenn das Dach überm Leben wackelt

Mit Renate Obermaier, Heinzl Spagl
Texte: Dominik Bloh, Richard Brox,
Laetitia Colombani, Thomas Steiger
Gitarre: Max Zentawer
Fotografie: Christoph Eberle


Gefördert vom Ministerium für Wissenschaft,Forschung und Kunst Baden-Württemberg.

In Kooperation mit Buchhandlung Schwarz/Freiburg

REPERTOIRE

THEATER

Kleiner Braunbär, wovon träumst du?

Von Hans de Beer
mit Renate Obermaier, Heinzl Spagl
Regie: Dieter Kümmel
Licht- / Bühnentechnik: Bernhard Ott
Bühne: Martin Baldenhofer

Fotografie:


Eine Frau und ein Mann – sie leben beide auf der Straße – erzählen die Geschichte von der Traumreise des kleinen Bären für Kinder und Erwachsene.


In Kooperation mit dem Theater im Marienbad / Freiburg  im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Für alle reicht es nicht".


LESUNG

Der Sandler

Markus Ostermair liest aus seinem Roman über einen Obdachlosen.
Moderation: Renate Obermaier
Fotografie: Heinzl Spagl


In Kooperation mit dem Theater im Marienbad und dem Freiburger Literaturhaus.


Podiumsgespräch

Wohnungslos in Freiburg?

Mit Vertreter*innen des Amtes für Senioren und Soziales, des FreiRaums, der Pflasterstub und der Freiburger Straßenschule
Moderation: Cornelia Helfferich

Fotografie:


In Kooperation mit dem Theater im Marienbad Theater im Marienbad/Freiburg


2021

Plakataktion

Sichtbar machen, was man sonst nicht sieht.


Das Jubiläumsprojekt „Unter Freiburgs Dächern ohne Dach“ mit vielen Veranstaltungen im Juni/Juli 2021 schließt ab mit einer Plakataktion: Fotos von Wohnsitzlosen / prekär Lebenden / in Hilfsinstitutionen Tätigen machen diejenigen sichtbar, die man sonst nicht sieht bzw. übersieht. Es wurden 200 Plakatsäulen in Freiburg plakatiert.


Fotografie: Renate Obermaier, Heinzl Spagl, Sabine Dietsche
Gestaltung: Marei Bittner

  • ALEX

    „Eine kleine eigene Wohnung, die suche ich ganz, ganz dringend.“


    Zur Zeit lebt Alex in einer Not-WG. Ein „Zimmer für sich allein“ fehlt ihr sehr. 


    25 Jahre lang hat Alex als Altenpflegerin gearbeitet, auch in der Psychiatrie, jetzt „geht´s nicht mehr“. 


    Alex liest viele Bücher, sie ist eine gute Freundin – voll Lebensfreude und großer Wehmut.

  • BIGGI

    „Ich bin die Mutti von der Pflasterstub. Ich denke viel über die Zeiten, auch über ganz früher nach.“


    Biggi hat immer offene Ohren und viel Verständnis. Eine Zeitlang lebte sie in der Notunterkunft Oase, jetzt hat sie eine kleine Wohnung. Mit Hündin Sarah. 


    Biggi gehört zum Team der Pflasterstub und der Verkäufer*innen des Freien Bürgers. 


    Über andere Frauen sagt sie manchmal, und das ist ihr höchstes Lob: „Des ist ´ne ganz Liebe.“ Das ist sie selber auch.

  • GERDI

    „Wenn nur jeder Mensch einem anderen jeden Tag etwas Gutes tut, hätte sich alles Leid auf der Welt gleich halbiert.“


    Gerdi ist die gute Fee vom Essenstreff. Von Montag bis Freitag kommt sie jeden Tag. Zwischen 10.15 und 14 Uhr. Sie spielt „Räuberrommé“ und hilft, wo sie kann.


    „Momentan geht’s mir richtig gut. Und zwar seitdem ich hierher komme … Ich kann noch ein bissel was Gutes tun, und wenn ich nur zuhöre.“ Auch Kleidung und Gebrauchsgegenstände besorgt sie und sie backt, wenn gewünscht, einen Kuchen.


    Gerdi hat als Metzgereifachverkäuferin, als

    Chefin eines Transportunternehmens, dann als Alltagsbegleiterin gearbeitet. Als Fußpflegerin, zu der sie sich ausbilden ließ, geht sie nach wie vor in Pflegeheime. Sie ist nicht reich, sie lebt bescheiden, das Geld ist knapp. Aber es reicht.


    Immer wirkt Gerdi aufmerksam, freundlich, zugewandt. Indem sie anderen Hilfe und Zuversicht gibt, wird es ihr selbst leichter und lichter ums Herz.

  • JOHANNES

    „Ich möcht´ mal einen Workshop mit Kindern machen und mit Farben jonglieren.“


    Johannes arbeitete als Dachdecker, Zimmermann, Schreiner, Koch, Gipser, Stuckateur, Hausmeister und Gärtner. Jetzt bekommt er Hartz IV, im Februar letzten Jahres war er wohnungslos, fand aber einen neuen Unterschlupf, den er selbst instandsetzt.


    „Wenn man mit nichts zufrieden ist, ist man der reichste Mann der Welt.“ Immerzu muss Johannes werkeln, basteln, bauen, Altes bewahren, Neues daraus machen, aber vor allem: malen: Er ist von Farben besessen. 


    Sein Traum: Eine Weltreise mit dem Fahrrad machen und sie finanzieren durch den Verkauf seiner Bilder auf dem Montmartre …




  • FRANZI

    „Ich würde so gerne mit Tieren arbeiten.“


    Ab 2011 war sie immer unterwegs. Oft alleine. Mit einem Gefährten ging sie nach Spanien. Sie liefen 500 Kilometer von Marseille bis Barcelona. Im Coronajahr lebte Franzi mit ihrem Freund draußen im Wald. Mit vier Isomatten, vier Schlafsäcken und einer Schlafdecke. 


    Das war ihr Heim. Mit einer „Kochstelle wie im Mittelalter“: Ein Topf hing über der Feuerstelle. Außerdem  gab es einen Kugelgrill!  Franzis geliebte Ratte war auch dabei.


    Sie mag die Natur und die Jahreszeiten, wenn es nicht zu kalt ist und nicht zu stark regnet. Sie mag es, draußen heimisch zu sein. Ausgesetzt in der Natur ein Zuhause zu haben.


    Zur Zeit lebt Franzi wieder mit einem Dach überm Kopf. Nach wie vor verkauft sie den

    „Freien Bürger“, sie hat einen Hund und  einen Job.

  • MIKE

    „Ich war immer ´ne Wasserratte.“


    Mike arbeitete als Fräser in der Metallbranche, dann kam eine Trennung und wie so oft der Bruch im Leben. Lange hat er „Platte gemacht“. Im Kaiserstuhl. Mit Fahrrad und einem Anhänger war er unterwegs. Nachts schlief er 8 bis 10 Stunden, sein Schlafsack war warm genug, Mike war gut ausgerüstet. Aufenthalte in der Oase und im Erika-Kramer-Haus. Über die Diakonie fand er 

    eine Wohnung.


    Mike ist Rettungsschwimmer, jetzt macht er noch eine Ausbildung zum Rettungssanitäter. 


    Seit ein paar Jahren gehört er zu den „guten Geistern“ der Pflasterstub. „Ich mache ja nicht nur Theke, ich mach´ ja alles. Ich tu´s Material sortieren, Kleiderausgabe mach´ ich teilweise, je nach dem, was anliegt.“


    Und er kümmert sich um die Gäste. Innerhalb der Pflasterstub und auf dem Platz hinter der Stadtbibliothek. Schlichtet Streits und hilft, wo er kann. Gibt praktische Ratschläge und hört zu. „Leider hab ich nicht studiert.“ Sozialarbeit hätte er gern studiert. Auch ohne Studium arbeitet er jetzt als Sozialarbeiter.

  • BERTHOLD

    „Corona ist der Strahlenkranz der Sonne.“


    In seiner norddeutschen Heimat hieß er „der Deichgraf“. Über sein Leben erzählte Berthold viele Geschichten, man wusste nicht, was sich davon wirklich ereignet hat. 


    Auch wussten wir nie genau, ob er immer noch auf der Straße lebt oder mittlerweile ein Dach überm Kopf hat. Berthold konnte erzählen.


    Er hatte kräftig blaue Augen, manchmal war er griesgrämig und jenseits der Sanftmut, aber meistens war sein Verhalten geprägt von großem Charme mit viel Witz und Selbstironie.


    In diesem Jahr ist Berthold gestorben. Letztlich an den Folgen eines früheren Straßenbahnunfalls beim Essenstreff. So viel hätte er noch zu erzählen gehabt. Er fehlt.

  • SIGGI

    „I hab mei Ruh, des passt.“


    400,- Euro Rente bekommt Siggi, die Miete zahlt das Sozialamt. Vor dreieinhalb Jahren hatte er einen Schlaganfall. Hinterm Bromberg machte er eine Zeitlang „Platte“.


    Sein Sehnsuchtsort war Kentucky. Gern hätte er die Tochter einer Deutschen und eines amerikanischen Soldaten geheiratet, doch die Verbindung zerschlug sich. Den Cowboyhut trägt er immer noch.


    Schon länger haben wir ihn nicht mehr gesehen. Wie es ihm wohl geht?